Montag, 24. August 2015

Das Wasserhäuschenquartett wird renoviert

Von Pedro wurde das "Windige Eck" über Jahre geführt. Im Sommer diesen Jahres gab er das Wasserhäuschen auf, um seine schwerkranke Frau zu pflegen. Sie verstarb Anfang August 2015. Das Bild mit ihr in unserem Wasserhäuschenquartett stellt für uns eine schöne Würdigung dar. Nach unserer Info wurde sie wurde von Pedro auf ihre letzte Reise nach Griechenland gebracht. Wir sagen "Danke" für all die Jahre hinterm Tresen des "Windigen Ecks".

Poster für eine Deutschrockband am Windigen Eck


Murat hat übernommen. Murat kennen wir von der "Trinkhalle am Lindendenbaum". Sein Vater betreibt ein Wasserhäuschen in der Julius Brecht Straße, das Binding Dreieck steht. Wir haben entschieden, das Wasserhäuschenquartett auf den neuesten Stand zu bringen. Wir treffen uns an dem berühmten Eck, im Hinterraum wird bei mind. 65 Grad Celsius diskuttiert. "Das ist ja wohl keine artgerechte Haltung, da fehlt zumindest ein Mückenquirl". Bei Murat beginnt die Internationalität hinterm Tresen, sein Angestellter kommt aus Bornheim, er verkauft an die Gäste, die zum Schichtwechsel gehen noch einen letzten Ouzo. Sein Bornheimer Garten wird durch die Erweiterung der A661 noch schöner. Besonders die Erdbeeren reifen nun besonders dunkelrot.

Dienstag, 15. April 2014

Trinkhalle am Lindenbaum

Die Trinkhalle steht unmittelbar neben einem Wahrzeichen Eschersheims, dem Lindenbaum. Eine U-Bahnstation heißt wie der Baum, auch die Trinkhalle trägt den Namen des Baumes der weit über 100 Mal in seinem Leben diese kleinen Propellerfrüchte über die Straßen verteilte. Seit 1996 betreibt Murat die Trinkhalle. Er setzt damit eine kleine Familiendynastie fort, sein Vater ist Pächter einer legendären Trinkstube in der Julius Brecht Straße. In der dortigen Nähe sah ein Freund von mir einen Hund aus einem Hochhaus auf die Straße fliegen,. In jener Gegend, in jener Stube sind härtere Bandagen gefragt, aber man lernt das Geschäft.
„Ich sag dir mal, was Du schreiben sollst: In jedem Kochbuch steht «Man nehme».“ In der rechten Hand hält er, ein Gast, dabei Produkte des traditionellen Kioskgewerbes. „Ja der alte Chef, der Mozzi, Gino Mozzi, der hatte einen 500er Fiat, mit dem isser dann jeden Sommer bis nach Italien. Irgendwann hat er sich ne Limousine gekauft, ein Jetta. Für den war das ne Limousine, der war ja nur so“, die Handkante stoppt auf Höhe seiner Brust.
Ich interessiere mich sichtlich für seine Fahrradlackierung, die mich an die Frisur von Rudi Völler erinnert. „Wie die Lackierung auf meinen Fahrradrahmen entstanden ist? Ganz einfach, meine Haare wurden über den Rahmen gelegt und pffff.“ Dabei gestaltet er pantomimisch eine Spraydose. „Der Sattel, du glaubst ja nicht wo der her ist, weißt Du wo der her ist, ach erzähl doch nix. Soll ich dir mal sagen, wo ich letztes Jahr war: Vogesen, von 1200m auf 400m bin ich mit der gebrochenen Felge gefahren, immer runter und das mit dem Anhänger, 25 Kilo. Und die Felge, mit Gewebeband hab ich die geklebt und das mit Anhänger.“


Nicht immer steht der Chef persönlich hinterm Tresen
 
Die Trinkhalle müsste aus den 1970ern sein, eckig, mit gelbweißen Fließen. Ein Wetterschutz schützt bis zu sechs sitzende Gäste. Dass der verbretterte Windschutz dabei den Eindruck einer zu groß geratenen Gesichtsmaske „zwei Fenster, alles dicht“ stört nicht. Die von Regen und Wind gegerbten philosophieren „So eine Tour, mit dem Fahrrad an die Trinkhalle, das sollte man unter medizinischen Gesichtspunkten planen.“ Um die Gemütlichkeit der Runde zu vertiefen einigen wir uns auf den Eschersheimer Shantychor als Verwalter der kulturellen Eigentums.“Auch in Rostock waren wir!“ Das war doch mal ein netter Ausklang na dann „machts gut, geht mit Gott oder geht mit Aristoteles.“

Trinkhalle am Lindenbaum, Eschersheimer Landstraße 482

Dienstag, 4. Februar 2014

Mitzuu das Kätzchen

Die Betreiber vor ihm gaben aber schnell auf. Jetzt ist Mitzuu dran. Mitzuu lebt seit vier Jahren in Frankfurt und wollte endlich mal eine richtige Arbeit machen. Was bleibt einem da noch außer Trinkhallenwirt? Kann mir diese Frage mal einer beantwort, NEIN. Na also! Mitzuu ist Rumäne, Mitzuu ist sein Spitzname, Mitzuu ist rumänisch und steht für „Kätzchen“. Das sagt zumindestens Mitzuu. Ich glaube ihm.
In Rumänien hat er keine Heimat mehr, eine neue hat er nun in Frankfurt gefunden, freitags und samstags sogar bis drei Uhr nachts. In der Nähe ist ein Studentenwohnheim, deren Bewohner und Gäste kommen besnders am Wochenende gerne ein paar Minuten später vorbei, um einzukaufen.
Viedeospiele? Fifa 2014, alles da, wer will nimmt sich einen Joystick, Mitzuu macht den TV an, das Spiel beginnt!

Mitzuu Kiosk & Trinkhalle, Eckenheimer Landstraße o.N. Öffnungszeiten: So - Do 12-22, Fr + Sa 12-3 Uhr
So und jetzt noch was historisches zur Trinkhalle an der Eckenheimer Landstraße:
Der U-Bahn Ein- oder Aus? Schieber kommt. Was das ist? Das erfährt man an dieser Trinkhalle. Das Ein- oder Ausschieben heißt entweder Schichtende oder eben Schichtbeginn für den oder diejenige der die in der U-Bahn stets den vordersten Platz mit Frontscheibe einnimmt. U-Bahn-Lenker kann man nicht sagen, denn wie wir alle wissen, die Schienen lenken.
Die Trinkhalle steht kurz vor dem U-Bahn Nachtlager an der Eckenheimer Landstraße in Preungesheim. Jetzt im Winter gibt es einen besonderen Wetterschutz für die Stammkunden, der vordere Bereich wird so wie bei einem Wintergarten zu einem Zweitraum.
Rund um diese der Trinkhalle müssten jene Bauten stehen die einst Eckenheim den Status „Beamtenwohnort“ einbrachten. Kurz nach der Eingemeindung Eckenheims, den klammen Eckenheimern und Preungesheimern wurde von der Stadt Frankfurt kurz nach 1900 Straßenbahnanschluss und Volksbrausebad versprochen, die Stadt Frankfurt versprach sich Platz für Wohnungen, wurden in Eckenheim viele Wohnugen für Straßenbahnbedienstete gebaut. Das Depot an der Schwabstraße feierte 2010 sein Hundertjähriges. Ein richtiges Depot ist es heute nicht mehr, max. eine Garage, mittlerweile angeblich auch von einem Carsharingunternehmen genutzt. Gerüchten zur Folge wird’s in dem neu errichteten Depot im Osten Frankfurts bald zu eng und die VGF überlegt sich die Revitaliserung des Depots an der Schwabstraße. Da könnte doch auch die Trinkhalle profitieren. Da erinnere ich mich an eine vor knapp zehn Jahren über 80jährige Frau Zenk, die sich an die Feierabend genießenden Straßenbahnfahrer an einer Trinkhalle in der Nähe des Bockenheimer Depots erinnerte.

Dienstag, 14. Januar 2014

„Peter´s Kiosk“


An „Peter´s Kiosk“ waren wir länger nicht mehr, obwohl sein Kleingetränkehandel/Wettbüro/Zeitungen/KaffeeundEisverkauf mit extra Kindertresen/Nachbarschaftstreff, also sein Wasserhäuschen fast auf meinem täglichen Heimweg liegt.
Seit meinem letzten Besuch hat sich Peter spezialisiert. Peter wirbt neben Klassikern des Wasserhäuschens mit dem vermutlich umfangreichsten Whiskey-, Bourbon- und Scotchsortiment zwischen Tennessee und den schottischen Highlands. Das zieht Kundschaft an, Musikgrößen wie die Frankfurter Sprechsängerin Sabrina Setlur kommen immer mal wieder vorbei. Andere buchen ein Taxi, sie wissen bei Peter gibt’s Moët & Chandon.

Peter trefft ihr von Mo - Fr 6-22, Sa 9-22 und So 10-22 Uhr

Peter hat noch mehr. Kinderherzen schlagen bei ihm besonders hoch, im Sommer lagert bei ihm ein Wassereisvorrat, dass man meint, die Arktis ist in die Sigmund Freud Straße umgezogen. Wahlweise können Herr und Frau Stepke ihr Taschengeld auch in Peters Kinderzeitschriftenbasar verteilen.
Aber auch der ganz gewöhnliche Wasserhäuschengänger, den es, so wie wir wissen natürlich nicht gibt, kommt bei Peter auf seine Kosten. In seinem Vorraum sausen Würfel zwischen Bechen und Tischplatte auf und nieder, dazu ein gepflegtes Kippchen, ach das Leben kann so schön sein...

Peter´s Kiosk, Sigmund Freud Str. 50

Sonntag, 12. Januar 2014

Gudes

Seit November gibt es  „Gudes“ auf dem „Kleinen Friedberger Platz“. Das „Gudes“ ist eines der letzten klassischen Jöst Trinkhallen in Frankfurt, die wirklich existieren. Der „Kleine Friedberger Platz“ existiert auch wirklich, hat aber offiziell noch keinen Namen. Nun, nachdem Bäume, Beton und Kies auf dem „Kleinen Friedberger Platz“ neu arrangiert wurden, soll dieser auch einen richtigen Namen bekommen. Vom Ortsbeirat kommen schon sehr konkrete Ideen für eine Namensnennung. Gut unterrichtete Quellen sprudelten den Namen eines Frankfurter Satirikers heraus. Wenn der Platz seinen Namen bekommt, dann bekommt dieses Wasserhäuschen vermutlich auch eine richtige Hausnummer. Wie so viele Wasserhäuschen trägt es statt der Hausnummer das berühmte „o.N.“ in der Adresse. „O.N.“ steht für „Ohne Nummer“.

Hier gibts auch Tragetaschen; Öffnungszeiten Mo-Fr. 7-22 Uhr, Sa und So 10-22 Uhr

Hinter „Gudes“ stehen zwei junge Betreiber, 26 und 32 Jahre. Sie wollen das Wasserhäuschen nicht neu erfinden, aber neu interpretieren. Dazu zählt ein professioneller Kaffeeautomat, Tische, Stühle mit Decken für den Winter, der Crêpetag oder die eigene Homepage www.gudes-frankfurt.de.
Unser Gesprächspartner Florian hat früher Reggaeplatten aufgelegt und im heutigen „Neuen Volkswirt“ in der Frankfurter Kleinen Hochstraße für das Wohlsein von Gästen und Belegschaft gesorgt. Nun ist das Angestelltenleben vorbei. Florian und Felix sind eigene Chefs. Sie pumpen dem Wasserhäuschen auf dem „Kleinen Friedberger Platz“ viel neues Leben ein. Wir wünschen Ihnen Viel Erfolg!

Gudes, Friedberger Landstr./ Neuheofstr. o.N.

Montag, 10. Juni 2013

Der Frankfurter Osten

Es ist JUNI 2013 und wir befinden uns nach einem kleinen Eingrooven bei einer ADFC Tour zum ersten Mal in diesem Jahr auf Besichtigungstour von Frankfurter Trinkhallen. Warum erst jetzt? Nun, es war nass, es war kalt, mein neuer Job macht mich gebraucht, aber heute galt es wir wollten es allen beweisen, wir waren heiß, wir wollten raus, wir wollten den Frankfurter Trinkhallenbetreibern das Bier aus den Kühltruhen reißen!
Treffpunkt ist an unserem Wohnzimmer, Heidruns Trinkstübchen, an der Wittelsbacher Allee. Es galt, Hände zu schütteln. Heidrun, als 90jährige stand sie noch vor wenigen Jahren hinter dem Tresen, starb im vergangenen Jahr. Wir erinnerten bereits in diesem Blog.

Haydars Treff

Aber nun auf in den Osten! Den Frankfurter Teil, der morgens die Sonne als erstes sieht, hatten wir bisher völlig vernachlässigt. Welch Fehler!!! So stehen doch in Fechenheim fast alle Trinkhallen an ihrem schönen Platz, wo sie auch 2003 standen, als ich mich das letzte Mal auf Trinkhallentour in diesem Viertel befand. Eine der wenigen Hütten die geopfert wurden, stand in der Birsteiner Straße und wurde von Haydar betrieben. Haydar ließ sich nicht unterkriegen und verkauft sein Bier nun schräg gegenüber im ehemaligen Charlys Babbeleck, neben dem ehemaligen Supermarkt. Dank der von ihm erfolgreich betriebenen Trinkhalle hatte der Markt keine Chance mehr und musste vor mehreren Jahren seine automatischen Schiebetüren schließen. Auf Haydars alter Trinkhalle wächst Gras. Gegenüber dem Gras, so munkelt man, wohnt ein engagierter Rechtsanwalt für Ruhe und Ordnung. Haydar ist gar nicht so unglücklich darüber. Seine neue Hütte ist ein stabiler Flachbau, neue Fenster wurden ihm von der Radebergergruppe auch bezahlt. Wenn jetzt der Dachdecker seine im letzten Jahr beendete Arbeit nun auch noch richtig ordentlich macht und das Wasser durch die Regenrinne und nicht daneben abfließt, wäre doch alles wieder tiptop!

Bei Haydar tagt der Stammtisch Di-So 9-22 Uhr

Der anwesende verrentete Dachdecker mit einer Rolls Royce Kappe, „von dene hab ich 32 Stick, für Fünf Euro verkaaf ich sie Dir – Schoppegeld“, bietet sofort neue Schweißbahnen an und genehmigt sich erst mal ein Pils. „Hier wird nicht frankfoddderisch gebabbelt, mir sind Hessen hier wird HESSISCH parliert!“ „Hier habbe sie neulisch auch aan festgeneomme, er hat sei Miet in bar bezahlt, die habbe sich gefracht, woherrer soviel Geld hat.“ Auf den benachbarten Bierbänken haben derweil Skatkarten vom FSV-Fanshop die Unterhaltung auf 18, 20, 22 Kontra Re gelenkt. Zur Trinkhalle gehört auch eine kleine Kneipe, Eintracht und FSV-Schal hängen friedlich beieinander. Von dem kürzlich in die Regionalliga aus Geldmangel zwangsabgestiegenen Fußballverein von der anderen Mainseite ist nichts zu sehen, wobei alle gewissenhaft beschwören, sich in friedlicher Koexistenz mit allen Fanlagern zu befinden.

Haydars Treff, Birsteiner Str. 65


Das ist der Ort von Haydars früherer Trinkhalle, keine 100m entfernt

 

Treff Cassella Eck

Wir fahren quasi fast direkt zu Eftichia Katsiou. Er betreibt die architektonisch besonders gestaltete Trinkhalle an der Hanau Landstraße genau dort wo eine Fußgängerbrücke die Straße überquert. Genau dieser schicke Beton, ich tippe auf Jahrgang ca. 1960 bietet seiner Trinkhalle Schutz vor Regen oder auch Licht. Auch wenn es scheint, dass die Brücke das Trinkhüttchen förmlich erdrückt, wird erst der geplante Abriss der Brücke im Jahr 2016 Herrn Katsiou den Ouzo übel aufstoßen lassen. Die, im übrigen bis heute nicht fertiggestellte Brücke soll unter die Straße gelegt werden und heißt dann Unterführung. Die Trinkhalle „Treff Cassella Eck“ wird abgerissen. Ob und wann sie wieder aufgebaut wird, weiß niemand. Wir wünschen an dieser Stelle dem Betreiber viel Glück und erinnern an die erfolgreiche Verteidigung der Trinkhalle auf der Insel an der Klagemauer in Rödelheim. Auch diese wird von einem Griechen betrieben. Auch für die Griechen in Frankfurt heißt es „Wehrt euch!“

Unter der Brücke, die über die Hanauer Landstraße führt, Öffnungszeiten Mo-Sa 6-23, So 11-23 Uhr

Herr Katsiou begrüßt seine Gäste mit „Dschin Dobre“. Ich glaube alle polnischen Handwerker der Stadt haben bei Herrn Katsiuo den Feierabendstammtisch. Wer einen Fliesenleger braucht oder tapezieren will, sollte am Cassella Eck Angebote einholen. Der Dachdecker von der Birsteiner Straße checkt auch noch mal die Lage: „Erst lehnt er meinen Schnaps ab und dann trinkt er mein Bier!“ Mal sehen ob wir uns heute noch wiedersehen.

Cassella Eck; Cassellastr. o.N.

Venus Eck

Für uns geht es mit Hilfe der Brücke über die Hanauer Landstraße über das Gelände der Cassella Fabrik: „Den Kesselwagen habe ich als Modell, da machen wir nachher noch ein Foto!“ Am anderen Ende der Brücke, in der Leo Gans Straße steht das „Venus Eck“, ein Ort für Bierliebhaber und mit Wasser Fremdgehende: „Solange ich die Medikamente nehmen muss, trinke ich kein Alkohol, ist doch schließlich ein Wasserhäuschen.“ Der Betreiber ist gelernter Metzger aus Duisburg. „In dem Job habe ich meine Ruhe, nachdem wir ein paar Leute rausgeschmissen haben, haben wir hier Ruhe.“ Die vorhin gemachte Behauptung, dass auf der anderen Seite der Brücke alle polnischen Handwerker Frankfurts ihren Stammtisch haben ist definitiv falsch. Dort steht höchstens die Hälfte, die andere Hälfte, steht hier am Venus Eck. Auch am Venus Eck empfiehlt man uns zur Doris zu gehen, da ist auf jeden Fall immer was los, außerdem, „das zweite Bier gibt’s bei ihr aufs Haus.“

Venus Eck; Leo Gans Str. 83

Die andere Seite der Brücke, Öffnungszeiten Mo-Fr 6-22:30, Sa und So 8-22:30

Mamas Kummerkiste

Vorbei am Kiosk in der Konstanzer Straße landen wir direkt auf Doris' Bierbänken. Doris war früher Marktleiterin im Netto, aktiv im Kleingartenverein, im Geflügelzuchtverein, seit zwei Jahren leitet sie die Trinkhalle, für alles andere ist keine Zeit mehr. Die Trinkhalle betreibt sie voller Enthusiasmus. Sie möchte die Tradition der Wasserhäuschen bei sich weiterleben lassen. An einer Seitenwand im Kiosk soll eine Fotosammlung mit antiquarischen Aufnahmen von Frankfurter Trinkhallen entstehen. Gut, dass DER Wasserhäuschenfotograf Gloss dabei ist. „Meine Trinkhallenausstellung ist derzeit im Homburger Hof!“ Ich denke man wird sich einigen. Mit uns am Tisch saß ein Republikflüchtling. Auch er war in Bautzen, ein paar Monate. „Was über Bautzen erzählt wird, ist zum Teil ein großer Scheiß! Das war ein ganz normaler Knast mit politischen Häftlingen. Wenn man keinen Stress gemacht hat, haben einen die Wärter auch ordentlich behandelt.“ Zu den spannenden Fluchtgeschichten hole ich mir doch gleich ein zweites Pils. „Doris, ich nehm noch eins. “Doris: „Bitte, das geht aufs Haus!“ Ich bin baff.

Mamas kümmert sich von Mo-Sa von 6-14 und 16-21 Uhr und So 8-13 Uhr

Die erste Republikflucht verlief einfach. Der junge Mann hat sich in den Zug gesetzt und wollte in den Westen fahren. Der Ausweis war nicht der richtige, der anschließende Gefängnisaufenthalt war echt. Bei seiner letzten Republikflucht hatte er sich erst etwas Mut angetrunken und wollte anschließend über die Grenze ins Westviertel latschen. Heute geht das. Damals hat ihn der Grenzer aufgehalten. Echt ist auch Doris Herz für arme Schlucker, bei ihr findet auch schon mal eine Schuldnerberatung statt. Aber ziehen weiter zur Mainspitze. Erzählen werde ich aber nichts mehr, an der Mainspitze gabs das Feierabendpils vom Trinkhallenurlaubstag.

Mamas Kummerkiste; Fachfeldstr. 68

Montag, 10. Dezember 2012

Der Nordwesten

Trinkhalle Adlereck, Frankfurt Nordwest, wir befinden uns in der Schnittstelle zwischen Römerstadt, dort stehen Häuser des Architekten Ernst May unter Denkmalschutz und der Nordweststadt, Frankfurter Siedlungsbau aus der Mitte von 1960. Diese Häuser werden wohl vorerst nicht unter dem Denkmalschutz stehen. Ginge man jeweils wenige Hundert Meter in andere Richtungen würden wir die Nidda mit ihrer Natur oder das dörfliche Heddernheim finden, früher katholisch, weil Teil des Erzbistums Mainz. An Fasching wird die Geschichte wieder lebendig, Heddernheim hat einen eigenen Karnevalsumzug, Klaa Paris.
Aber wir stehen jetzt näher am Beton des Frankfurter Siedlungsbaus. Allein stehen wir nicht, ein chinesischer Faltenhund passt auf seinen Besitzer auf. Dabei strahlt der Hund die Nervosität eines buddhistischen Mönches aus. Wir erfahren, dass die nächste Trinkhalle in Richtung Heddernheim geschlossen ist, von weiteren Trinkhallen in der Umgebung erfahren wir wenig, heute ist nur die Stammkundschaft zugegen, Fremdgehen an anderen Trinkhallen ausgeschlossen.

Vorne der Faltenhund, In der Römerstadt 114, Öffnungszeiten täglich 10-22 Uhr

Wenige Meter entfernt ist der Römer Shop. Im Fenster nicht nur Gummibärchen, das Poster einer Adriastadt lässt auf einen Jugoslawen schließen. Nicht so voreilig: An der Kaffeemaschine ist ein alter Bekannter von Hubert, ein Trinkhallenpächter alter Schule, ein Grieche. Trinkhalle Friedberger Platz, Trinkhalle Eyssenckstraße, beide hat er betrieben, beide hat er verkauft, vor über zehn Jahren. Huberts Fotos von damals hat er bewahrt. Damals gab es auch am Friedberger Platz noch den Imbiss Pilz. Am 22.11.2012 wurde dort die letzte Currywurst gewürzt. Der Platz soll umgebaut werden, der Laden muss weg, eine Generationen übergreifende Imbissdynastie ist beendet. Von hier aus übersende ich verschärften Protest an die Verantwortlichen! Laut FNP hat der Betreiber einen Antrag auf Leistungen nach Hartz IV gestellt.

Römershop in der Römerstr. 152a, Öffnungszeiten Mo-Fr 8-13 und 16-21 Uhr, Sa 9-13 und 16-21 Uhr So, 10-21 Uhr

Mit dem Fahrrad durch die Nordweststadt. Hier heißt jeder Weg Bernadottestraße, woanders heißt alles Hammerskjöldring. Ernst Kahn Straße heißt auch viel, eine Trinkhalle gibt’s dort auch, aber am Samstag nicht. Wir suchen die Häuschen im Gerhard Hauptmann Ring, landen bei Helga in der Thomas Mann Str. 6a im sogenannten „Kleinen Zentrum“, einer kleinen Einkaufspassage aus den 1980ern. Helga König hat vor ca. zehn Jahren in der Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter des „Kleinen Zentrums“ gearbeitet. Damals waren fast alle Geschäfte Tag und Nacht geschlossen und vergittert. Ein Frankfurter, der sein Geld mit dem Kaufen, Verkaufen und Vermieten von Häusern verdient kaufte es und vermietet die Geschäfte derzeit an ein Jugendzentrum, an einen Kulturverein, eine Moschee. Der Verein „Brücke 71“ ist auch involviert und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Geschäftlich ist die Luft raus, Schlecker ist pleite, neben Helgas Treffpunkt existiert lediglich eine Apotheke und nebenan ist ein Netto Markt. Die Trinkhalle als eine von drei Geschäften in einem Einkaufszentrum! Alle kommen, Kinder legen fünf oder zehn Cent für eine oder zwei Süßigkeiten auf den Tisch und Franco, der noch vor einer Stunde Kioske mit Getränken belieferte, lässt sich nun von Helga beliefern, Prost. Wir fahren jetzt Pizza essen bei Giovanni in Heddernheim.

Der Treffpunkt, Thomas Mann Str. 6a, Öffnungszeiten täglich 9-19, donnerstags geschlossen

Mal kreuz, mal quer, Baustellen, abbiegen verboten, Schlamm auf der Straße, auf dem Riedberg ist noch nicht alles clean. Wir müssen da durch, entlang der U-Bahn über die A661 nach Bonames, am „Haus Nidda“ kauft und verkauft seit 20 Jahren Herr Bozkurt Süßigkeiten und Zeitungen für den Stadtteil. Für uns zwei Jägermeister. Eine Freundin hilft heute aus, er hilft gleich einem Kunden ein Sofa aus dem Auto in die Wohnung zu tragen. Ein anderer braucht frische Luft und befeuchtet seinen Hals, während in seinem Ofen der Braten brät.
Vor 20 Jahren, damals war er 19, bot das Betreiben einer Trinkhalle für Herrn Bozkurt eine echte berufliche Perspektive. Damals schlossen die Geschäfte 18:30 Uhr, kein Mensch las Zeitungen im Internet. Auch wenn der Springer-Konzern als Eigentümer der Bildzeitung kürzlich neue Gewinnrekorde und eine Umsatzrendite von 26% vermeldete, sagt das nichts über den Zeitungsverkauf an der Trinkhalle aus. Jeder Kioskbetreiber breit und weit verkauft heute im Vergleich zu 1990 nur noch einen Bruchteil der Zeitungen. Dennoch, auf dem Tresen von Herrn Bozkurt ist kein Platz für Flaschenbier, dort liegt auf knapp vier Meter ausschließlich Bedrucktes. Die Gäste mit ihren Glasflaschen finden ihren Platz neben der Trinkhalle. 

Einkaufskiosk, Harheimer Weg 30, Öffnungszeiten Mo-Sa 8-22 Uhr, So 9-22 Uhr

Die letzte Station für heute ist die Trinkhalle in der Friedrich Stampfer Straße in Bonames, „Nein das hier ist Nieder Eschbach!“ „Nein – Nieder Eschbach fängt dort an, die Trinkhalle steht in Bonames.“ Ich habe es nicht herausfinden können. Dort am Tresen steht eine Schwäbin, die auch schon Bremen gesehen hat, Stuttgart kennt sie nur noch aus der Zeitung. Einzelne Zigaretten verkauft sie auch, der Deckel zum Anschreiben liegt bereit für den Griff. Ohne Zahlungserinnerung kann kein säumiger Schuldner den Kiosk passieren. 1980er Bindung-Reklame, Erbsensuppe, einen Hinterraum. Uns bleibt die Tür verschlossen, Stammplatzgarantie muss man sich erarbeiten, das kann Jahre dauern.
Die Chefin kommt später, später heißt ein paar Tage später. Es ist der 30. es ist Monatsende, an diesem 30. ist auch ein polnischer Feiertag. Feiern an der Trinkhalle, Uneinigkeiten auf Polnisch. Wer ist der lauteste, wer baut seinen Brustkorb am größten auf? Blitz, Donner? Der Chefin kommt, aus Gewitter werden dunkle Wolken, jetzt die Abkühlung. Eine Trinkhallenwirtin zwischen einer vollen Hand Feiernder. An jedem Finger hat sie einen, am Häuschen ist wieder Stille, morgen scheint dann auch wieder die Sonne.

Alte Bindingreklame in der Friedrich Stampfer Str. 10a, Öffnungszeiten täglich 9-22 Uhr